Impulsgeber der Verkehrswende Dortmund, den 24.06.2022

BDB-Vorstand Roberto Spranzi über die Vorteile der Binnenschifffahrt


"Um Klima und Umwelt zu schützen und den Straßenverkehr zu entlasten, werden wir mehr Güterverkehr auf Schiene und Wasserstraße verlagern", heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen. Was macht die Binnenschifffahrt so wertvoll für die Verkehrswende und an welchen Stellen wird der Verkehrsträger ausgebremst? Genau darüber sprach Pascal Frai, Pressesprecher der Dortmunder Hafen AG, mit Roberto Spranzi, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt sowie Vorstand der DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt eG.

Herr Spranzi, die Sperrung der A45 als zentraler Verkehrsader in Südwestfalen ruft den Zustand der deutschen Autobahnen ins Bewusstsein. Zugleich gibt es einen Engpass an LKW-Fahrern/innen. Kann die Binnenschifffahrt in dieser Situation zur Versorgungssicherheit beitragen und künftig mehr Güter übernehmen?

Spranzi: Die Sauerlandlinie ist sicher kein "Paradebeispiel" für eine Entlastung durch Binnenschiffe. Es gibt aber beispielsweise eine Wasserstraßenverbindung zwischen Dortmund und dem an der A45 gelegenen Hanau. Wenn wir über Massengüter oder Großraum- und Schwertransporte sprechen, kann das Binnenschiff grundsätzlich eine Alternative sein.

Was sind allgemein die Vorteile des Binnenschiffs gegenüber anderen Verkehrsträgern? Und wie steht es um die Umweltfreundlichkeit?

Spanzi: Die Stichworte zu den Vorteilen lauten: Keine Staus, geringe Unfallhäufigkeit, verhältnismäßig wenig Lärm und sicher! Unterschiedliche Studien liefern unterschiedliche Ergebnisse: Ist die Basis der Beurteilung der Umweltfreundlichkeit primär der CO²-Ausstoß, ist der umweltfreundlichste Verkehrsträger immer noch das Binnenschiff.

Warum wird das Binnenschiff als Transportmittel dann nicht noch stärker nachgefragt?

Spranzi: Hierzu fehlt leider häufig das Wissen bzw. der Zugang: Der Verkehrsträger Binnenschifffahrt findet in der Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau für Spedition- und Logistikdienstleistung aktuell so gut wie nicht statt. Die Straße dominiert das Berufsbild. Die Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort e.V. bietet aus diesem Grunde für ihre Mitglieder das Fortbildungsprogramm "Quinwalo" an, das als Abkürzung für Qualification Inland Waterway Logistics steht.

Welche Unterstützung würden Sie sich von Politikern/innen aus Land, Bund und Kommune für eine bessere Auslastung der Wasserstraßen wünschen?

Spranzi: Die Umsetzung des "Masterplan Binnenschifffahrt" aus dem Jahr 2019 muss mit Nachdruck weiter politisch unterstützt werden. Inhaltlich geht es in dem Masterplan beispielsweise um die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Infrastruktur, der Verankerung der Binnenschifffahrt in der Aus- und Weiterbildung der Speditions- und Logistikbranche oder die Stärkung des Schwergut- und Großraumtransports mit dem Binnenschiff.

Am 1. Januar 2023 wird das Lieferkettengesetz in Deutschland zunächst für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigte in Kraft treten, ein Jahr später dann für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte. Mit dem Gesetz sollen unter anderem Anreize für einen umweltfreundlichen Warenverkehr gesetzt werden. Bedeutet dies Rückenwind für Transporte über die Wasserstraße?

Spranzi: Es sind durchaus Zweifel angebracht zu glauben, dass, solange der Transportpreis das Hauptkriterium zur Wahl des Verkehrsträgers ist, dieses Gesetz das umweltfreundliche System Wasserstraße "pushen" wird.

Digitalisierung und technologische Weiterentwicklung gehen auch an der Binnenschifffahrt nicht spurlos vorbei. Wie wird das Binnenschiff der Zukunft beschaffen sein und mit welchem Energieträger wird es fahren?

Spranzi: Der moderne "Ein-Mann-Steuerstand" ist die Gegenwart, teilautonom bzw. autonom fahrende Schiffe sind die Zukunft. Forschungsprogramme laufen und Teststrecken sind definiert. Allerdings wird es noch etwas dauern. In der Antriebstechnik gibt es verschieden Optionen, vom diesel-elektischen über rein elektrischen oder LNG bis zum mit Wasserstoff angetrieben Motor scheint alles möglich. Alternative Kraftstoffe wären wohl die am wenigsten aufwändige Alternative, denn sie können schon jetzt in den meisten Dieselmotoren eingesetzt werden.

Welche Chancen sind mit Wasserstoff als Transportgut oder auch als Kraftstoff für die Binnenschifffahrt verbunden?

Spranzi: Hier geht es um eine völlig neue Technologie, die sicherlich gute Chancen für unterschiedliche Anwendungsbereiche hat. Mir hat allerdings bis heute niemand erklären können, wie und bis wann wir die zur Herstellung von grünem Wasserstoff benötigte Energie herbekommen.

Die Zukunftsfähigkeit der Binnenschifffahrt, die Sie herausstellen, wird entsprechend auch für die damit verbundenen Berufsbilder gelten. Was erwartet junge Menschen, die sich für eine Ausbildung zum Binnenschiffer bzw. zur Binnenschifferin entscheiden?

Spranzi: Junge Menschen erwartet ein zukunftssicherer, moderner Arbeitsplatz mit Perspektive, der die "Work-Life-Balance" anderer Berufsbilder an Land in gleichem Maße abbildet. Zugleich bietet sich eine interessante Ausbildung mit angemessener Entlohnung. Als Selbstverständlichkeit gehört auch stabiles Internet dazu, um auch an Bord eines Binnenschiffes nach getaner Arbeit "surfen" zu können.

Vielen Dank, Herr Spranzi, für das Interview.